WOMAN Kolumne: Die Kunst, der inneren Stimme zu lauschen

Die Kunst, der inneren Stimme zu lauschen / WOMAN Magazin Ausgabe 24. Juni 2021

 

Was willst du? Wohin willst du? Was macht dich glücklich? Vor allem aber: Was macht dich aus? Fragen wie diese wurden mir in meiner Schulzeit nicht gestellt. Stattdessen erhielt ich einen Brief, in dem ich etwas über Branchen mit „guten Karrierechancen“ erfuhr. Ja, so werden Erwartungshaltungen erzeugt, aber ist es sinnvoll, seinen Weg so zu starten?

 

Patsch, auf einmal streben wir Dinge an, von denen wir meinen, es müsse so sein. Weil es sich gehört. Wir passen uns vorgefertigten Schablonen an, um „dabei zu sein“ und zu entsprechen. Wir wählen den entsprechenden Partner, einen Beruf, der die Erwartungen anderer erfüllt, und einen dadurch vorgezeichneten Weg. So geht das weiter und weiter. Wir sehen Bilder auf Instagram von fitten, schönen, schlanken, perfekten und erfolgreichen Influencern: So möchte ich auch sein! Wir werden mit Werbebotschaften gefüttert, die uns vorgaukeln, irgendein Produkt mache uns rundum zufrieden: Will haben! Wir hören im Freundeskreis, was hip und angesagt ist: Bin dabei! Wir tun, was die Eltern von uns wollen und sich das Umfeld herbeiwünscht: Weil’s vernünftig ist. Und schon führen wir ein Leben, das irgendwelchen Fremdbildern entspricht, wir erfüllen die Vorstellungen anderer, statt den eigenen Weg zu gehen. Eine Täuschung, die ihren Preis hat. Die innere Stimme wird immer leiser – fremde Stimmen immer lauter: Du musst. Du sollst. Sei so – und nicht so.

 

DAS KENNEN SIE?

Dann ist das ein guter Moment, mit Ihrer inneren Stimme Kontakt aufzunehmen. Ja, es gibt sie, diese wunderbare Instanz, die genau weiß, was wirklich gut für uns ist – und was nicht. Sie mag vielleicht noch ein bisschen verschreckt wirken, aber keine Sorge: Sie ist immer noch da, als der beste und treueste Begleiter, den man sich nur wünschen kann. Man nennt diese Stimme Intuition.

 

Ich selbst habe sie in meiner ersten Meditation wiederentdeckt, seitdem hat sie einen Fixplatz in meinem Herzen, meinem Bauch und meinem Kopf. Sie ist meine Ressource. Aber Achtung: Je länger wir sie ignorieren, desto eher wird sie verstummen. Wenn wir ihr stattdessen Gehör und Raum schenken, ihr gut zuhören, wird sie uns Ermunterndes, Stärkendes zuflüstern: unsere eigene Wahrheit. Zugegeben, gar keine so leichte Übung zwischen all den lauten Stimmen in dieser Welt. Umso mehr brauchen wir dafür Zeit, um innezuhalten, zu lauschen. Am besten an einem Rückzugsplatz, also einem Ort, der guttut und an dem Sie sich wohlfühlen: Atmen Sie tief ein, und fragen Sie sich, hören Sie in die Stille. Sie werden erfahren, was Sie wirklich wollen, was Sie gut können, was Sie mit Freude tun, und vor allem: was Sie ausmacht.

Gerne stelle ich auch konkrete Fragen. Am Beispiel Job oder Studium, wenn’s um die richtige Wahl oder eine Neuorientierung geht: Da könnten Sie sich fragen, welche Arbeit Sie sich für eine Woche lang aussuchen würden, ohne Bezahlung, freiwillig. Oder: Was würde mich morgens um fünf Uhr früh aus dem Bett holen, weil es mich so begeistert und ich voller Tatendrang bin? Schon schimmern Sehnsüchte durch und werden Visionen transparent. So wird die innere Stimme zum Leitbild, vielleicht sogar zur Leitlinie. Aber nur, wenn wir ihr glauben und immer wieder danach handeln. Weil auch die innere Stimme, unsere Intuition, trainiert werden kann – wie ein Muskel.

 

DAS WAR SCHRITT EINS.

Schritt Nummer zwei ist einen Hauch schwieriger: Denn nun heißt es, dieser Stimme zu folgen. Da müssen Sie vielleicht etwas tun, was andere nicht so cool finden, oder womöglich etwas, das ein bisschen Angst macht. Ungewohntes Terrain, und noch dazu ohne Applaus von anderen. Mag sein, dass diese Phase nicht sofort Lösungen und Antworten bringt – doch das Wichtigste ist der persönliche Paradigmenwechsel. Es ändert sich etwas, und das braucht Zeit. Seien Sie also geduldig mit sich selbst, bleiben Sie Ihrer inneren Stimme treu und mit ihr im Dialog. Irgendwann – ein Lichtblick. Auf einmal gelingt ein erstes, unendlich wichtiges Nein. Auf einmal müssen wir nicht mehr entsprechen, sondern können bei uns bleiben. Wir sind im Flow.

 

Ich selbst nenne meine innere Stimme „Königin“. Die Königin in mir verdient alle Aufmerksamkeit – und ein Riesenmegafon. Hinten im Chor hat sie einfach nichts verloren, sie gehört in den Vordergrund, als Diva. Und Star.

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