WOMAN – Magazin: 7 MONATE OFFLINE

Text ist erschienen im WOMAN Magazin / Ausgabe August 2023 / ET 24.08.2023 / Autorin: Andrea Wipplinger-Penz 

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Eine Zeit lang alles hinter sich lassen.
Reisen zu den Sehnsuchtsorten. Nicole Hobiger-Klimes, 39, realisierte diesen Traum. Die Idee kam der Karriere- und Entscheidungscoachin im letzten Herbst auf der Couch: „Mein Mann Georg und ich beschlossen, uns zum 40. Geburtstag Zeit zu schenken und mindestens ein halbes Jahr die Welt zu bereisen!“ Wenn nicht jetzt, wann dann? „Unser Sohn Leonardo ist fünf. Gemeinsam wollten wir etwas Großes erleben.“ Wenige Wochen später war Georgs Sabbatical mit sieben Monaten Auszeit bewilligt. Finanziell war alles abgesichert: „Wir haben uns im Lauf der Jahre ein Budget aufgebaut. Es hat auf dieses Abenteuer gewartet.“

Während Nicoles Abwesenheit ist ihr Ausbildungsinstitut geschlossen, eine Mitarbeiterin überwacht die Website und Mail-Konten: „Ich bin auf meinem beruflichen Peak ausgestiegen.“ Natürlich gab es Bedenken, aber: „Ich fürchte mich vor viel im Leben und mache es genau deshalb. Sehr heilend.“ Traumziele gab es nicht, nur ein Vision Board: „Darauf haben wir unsere gewünschten Erlebnisse geschrieben. Ich wollte unbedingt einen springenden Buckelwal sehen, mein Mann segeln. Mit den Walen sollte gestartet werden.“

NATURNÄHE IN ISLAND.

 

Die EcosiaSuche – „Wo gibt es zu dieser Jahreszeit Buckelwale?“ – ergab: Island. Die Zeit sofort nützen: Noch am selben Tag waren das Flugticket und vor Ort ein Van gebucht. „Er wurde für die nächsten dreieinhalb Wochen unser Zuhause.“ Gepäck kam nicht viel mit: „Wir hatten zwei große Backpacks, einen Trolley und Leonardo einen Rucksack, vollgepackt mit Spielzeug: „Spontanität ist Freiheit.“ Lediglich ein kleiner Reiseführer half bei der Orientierung. Denn unterwegs recherchieren? Nur in Ausnahmefällen. Nicole setzte obendrein auf Social-Media-Detox. Und zwar All-in: „Ich wusste, wenn ich Kontaktmöglichkeiten zulasse, habe ich keine Ruhe. Das raubt mir meinen Fokus. Ich wollte ganz im Hier und Jetzt sein, ohne jede Ablenkung.“ Sogar die Anruffunktion war deaktiviert: „Meine Eltern konnten mich im Notfall per SMS erreichen.“

Im nordischen Inselstaat angekommen, ging es erst mal Richtung Norden, zu einem Hotspot für Walsichtungen. Ein Einheimischer gab den Tipp zu einer Bootsfahrt, ausgehend von einem winzigen Dorf. „Wir wurden in dicke Anzüge gesteckt, mit Haube, Schal, Handschuhen. Keine zwei Minuten, nachdem das Boot abgelegt hatte, waren wir umzingelt von Buckelwalen.“ Gesprungen sei zwar keiner, „aber es war trotzdem faszinierend.“

Die Familie bewegte sich von Campingplatz zu Campingplatz: „Island ist ein unglaubliches Land. Es gibt kaum Schöneres, als stundenlang im Sonnenschein durch die Berg- und Mooslandschaften, umgeben von Gletschervulkanen, zu fahren – ohne einem anderen Auto zu begegnen.“ Einziger Wermutstropfen: Island ist ein hochpreisiges Land, eine Suppe gibt es kaum unter 16 Euro. Das erschwert einen längeren Aufenthalt. Nach drei Wochen wurde die Kälte des Winters immer spürbarer, und „die Campingplätze hatten geschlossen“.

EINSAMKEIT AUF DEN MALEDIVEN.

 

Wohin als Nächstes? Unbedingt in die Wärme. Das Ergebnis der Recherche nach dem günstigsten Flug Richtung heißes Klima: Malediven. Malediven? Nicoles erste Gedanken: „Zu viel Luxus, wenig kinderfreundlich, zu teuer, übertrieben.“ Der Zufall führte sie zu einem „Local Island“, nur 200 Meter breit, einen Kilometer lang. Auf Ukulhas erlaubt die Regierung den Einheimischen, Unterkünfte anzubieten: „Das wollten wir, genau so.“ Dennoch schlichen sich ein paar Bedenken ein: „Die Insel ist durch die islamische Staatsreligion geprägt, die meisten Frauen tragen Burka oder Kopftuch. Ob das zu unserer StrandAuszeit passt?

Andererseits wollten wir raus aus der Komfortzone, erleben, was aus uns rauskommt, wenn man von nichts berieselt wird. Denn vor Ort gab es wenig Ablenkung, nur viel Sand und Meer.“ Es funktionierte. Und wie! Sie blieben drei Monate lang in einem minikleinen Zimmer: „Man lebt ohnehin nur outdoor.“ Und was kam dabei heraus? Zumindest keine Spur von Langeweile. Stattdessen tauchten die Hobiger-Klimes in diese fremde Kultur ein, eine Umgebung ohne asphaltierte Straßen oder Autos.

Nach drei Wochen gegenseitigem Beschnuppern wurden sie von der Bevölkerung integriert: „Wir haben Freunde fürs Leben gefunden! Mein Alltag war herrlich einfach. Ich bin täglich um fünf Uhr früh aufgestanden, habe meditiert, Yoga gemacht. Leonardo spielte mit den einheimischen Kindern, aus Kokosnüssen wurden Boote gebaut.“ Das Schönste: „Wir hatten Zeit.“ Nicole lacht: „Mein Mann und ich haben uns in dieser Abgeschiedenheit neu ineinander verliebt. Keine unnötigen Gedanken quälten uns, wir fühlten uns frei, extrem frei.“ Dennoch, nach drei Monaten war klar: Sie wollten noch etwas anderes erleben, weiterziehen.

SÜDAFRIKA ALS LIFE-EXPERIENCE.

 

Nur wohin? Bald stand das Wunschziel fest: Südafrika, ein Land, das die Welt zu vereinen scheint, wie Nicole nach ihrer Ankunft erkannte: „Es ist kalt und heiß, weit und dicht gedrängt, laut und leise, grüner, als man je etwas gesehen hat, und karger, als man es sich vorstellen kann.“

Anfangs lebte die Familie in einer kleinen Hütte im Wald in der Nähe von Kapstadt: „Danach ging es zu einem Forschungsprojekt für Meerkatzen und Geparden in die Halbwüste Karoo: „Mitten in der Natur, kilometerweit nichts, hautnah an diesen faszinierenden Tieren dran.“ Nicole absolvierte eine Woche lang eine harte Ranger-Fortbildung bei EcoTraining, mitten im Busch des KrugerNationalparks. Davor bezwang sie mit Georg vier Tage (Sohn Leonardo blieb währenddessen bei südafrikanischen Freunden) zu Fuß den „Extended Walking Trail“ im Hluhluwe-iMfolozi-Park, dem ältesten Wildschutzgebiet Südafrikas.

„Nach zweieinhalb Monaten standen wir wieder am Flughafen, wussten nicht, welche Destination wir zum Abschied wählen sollten. Nur bitte in Afrika bleiben.“ Letztendlich entschied sich die Familie für die Insel Rodrigues. „Dort gibt es wundervolle Ruhe, keiner kennt dieses Fleckchen Erde“, so die Wienerin. Die letzten drei Wochen ihrer aufregenden Reise entschleunigten sie in einem Zimmer direkt am Strand.

Die Rückkehr ist der mittlerweile 40-Jährigen schwergefallen: „Einen Monat Freizeit haben wir zu Hause noch drangehängt und erst mal alles entrümpelt – unser Haus, unser Leben.

Auf dieser Reise haben wir erkannt, wie wenig man im Leben tatsächlich braucht.“ Beruflich schaltet Nicole dauerhaft einen Gang zurück, hat ihr Institut losgelassen, Instagram geschlossen, fokussiert sich auf ihre Coaching-Arbeit: „Ich werde beruflich flexibler, gehe noch mehr in die Natur, habe ein neues Zeitgefühl und ein neues Miteinander entdeckt. Mein größter Luxus!