Was Mobbing mit Selbstwirksamkeit zu tun hat
Mobbing ist weit verbreitet – oft nicht greifbar und noch immer ein Tabuthema, über das zu wenig gesprochen wird. Die meisten wollen mit dem Thema wenig zu tun haben und nicht damit in Verbindung gebracht werden. Es ist aber immens wichtig, darüber zu sprechen. Um uns dem Thema zu nähern, wollen wir zunächst einige Begriffe einordnen.
Das erwartet Dich in diesem Artikel:
- Was ist eigentlich Mobbing und wer ist betroffen?
- Mobbing ist ein gruppendynamischer Prozess
- Die Rolle der Führungskraft
- Was sind die Folgen von Mobbing?
- Wie kann es gelingen, wieder in die Selbstwirksamkeit zu kommen?
- Wann sollte ich den Job wechseln?
- Einige Gedanken und Tipps zum Schluss
- Über die Autorin
Was ist eigentlich Mobbing und wer ist betroffen?
Es gibt Menschen, die bei kleinen Konflikten gleich Mobbing schreien – aus meiner Erfahrung ist das bei den Betroffenen aber ganz anders. Auch wenn das Gegenüber sie im Gespräch aufmerksam macht, dass sie gemobbt werden, wiegeln sie ab und möchten es nicht wahrhaben. Wieso das so ist? Weil es meistens impliziert, dass ich selbst etwas falsch gemacht habe und zugleich eine große Portion Scham und Schwäche mitschwingt. Und weil Mobbing nicht so einfach zu greifen ist.
Oft ist es ein Bauchgefühl, dass mehr dahintersteckt. Der Kollege vergisst Dich dauernd mit einzukopieren, wichtige Infos bleiben konstant vorenthalten, auch Einladungen zu sozialen Events, bei denen alle anderen eingeladen sind, fehlen Dir. Du denkst Dir: Naja, es ist doch viel zu tun, wahrscheinlich hat er mich nur vergessen, kann ja mal passieren. Ja, definitiv kann das mal passieren. Um Mobbing handelt es sich aber, wenn Schikanen absichtlich und konstant über einen längeren Zeitraum (zumindest etwa 6 Monate) eingesetzt werden. Es wird aktiv daran gearbeitet, Dich zu schwächen und in vielen Fällen konkret daran, dass Du die Abteilung oder Firma verlässt.
Mobbing ist ein gruppendynamischer Prozess
Die Forschung geht davon aus, dass Mobbing ein gruppendynamischer Prozess ist, von dem jedeR betroffen sein kann.
Durch die Gäste meines Podcasts „Mobbing ist kein Kavaliersdelikt“ habe ich mich über folgende Dynamiken bereits ausgetauscht:
- Strukturen, die so geschaffen sind, dass jedeR StelleninhaberIn gemobbt wird
- High Potentials, die zu leistungsbereit waren und nicht in ein „Minderleisterumfeld“ passen
- Jemand ist schlichtweg anders als die KollegInnen („Der mit seinen gegelten Haaren passt einfach nicht zu uns“)
- Kündigungsschutz des/der Gemobbten
- Jemand wollte eine bestimmte Stelle haben (Leitungsposition), der/die neue StelleninhaberIn wurde daraufhin gemobbt
- Unsicherheiten beim Mobbenden (beispielsweise die Angst um die eigene Stelle – dass der/die Gemobbte die Position besser erfüllen könnte)
- Machtdemonstrationen
Die Liste könnte mit vielen weiteren Gründen fortgeführt werden und ist nur ein Auszug.
Wichtig zu verstehen ist: Viele haben selbst Angst, das nächste Mobbingopfer zu werden und mischen sich vermeintlich nicht ein. Durch das Schweigen/Akzeptieren wird aber erst eine Mobbingdynamik möglich. Daher möchte ich uns alle ermutigen, hinzuschauen, Missstände aufzuzeigen und anzusprechen.
Die Rolle der Führungskraft
Führungskräfte sind in einer Mobbingsituation im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gefragt. Mobbing kann überall entstehen, aber die Frage ist, wie man damit umgeht. Als Führungskraft nehme ich optimalerweise eine Haltung ein, die Mobbing nicht gutheißt und spreche es konkret an.
Besonders kompliziert ist es, wenn Bossing (Mobbing durch die Führungskraft) entsteht, da KollegInnen etwas riskieren, wenn sie nicht „mitmachen“. Dieses Phänomen verstärkt sich natürlich, wenn es sich dazu um ein Mitglied der Geschäftsführung handelt, da das Machtungleichgewicht noch größer ist. In der Praxis führen solche Konstellationen mangels praktikabler Eskalationsstufen sehr häufig zur beruflichen Veränderung des Gemobbten.
Was sind die Folgen von Mobbing?
Was Mobbing auslöst, ist vielfältig. Mobbing kann schwerwiegende physische, emotionale und psychische Folgen für Betroffene haben. Sie reichen von Magen-Darm-Beschwerden über Schlafstörungen bis hin zu Depressionen oder einem verminderten Selbstwert. Betroffene suchen die Schuld häufig bei sich selbst und auch das Umfeld fragt oft zuerst nach dem Grund für das Mobbing.
Mobbing ist keine Bagatelle! Betroffene fühlen sich meist hilflos und damit wären wir auch bei der Selbstwirksamkeit, denn diese leidet erheblich im Mobbingprozess – und es ist wichtig, aus der (verständlichen) Opferhaltung rauszukommen, um wieder ein lebenswertes, selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Wie kann es gelingen, wieder in die Selbstwirksamkeit zu kommen?
Wenn die Mobbingsituation noch nicht so belastend und fortgeschritten ist, kann man selbst neue Handlungsoptionen lernen. Viele merken im Mobbingprozess, dass bisher gelernte Bewältigungsstrategien nicht helfen. Es kommen vielleicht folgende Gedanken auf: „Ich kann mich eh nicht durchsetzen“, „Keiner hilft mir“, „Ich mach lieber gute Miene zum bösen Spiel – es wird schon aufhören“.
Dies wäre ein guter Zeitpunkt, sich professionelle Unterstützung zu suchen, um wieder in die Selbstwirksamkeit zu kommen. Denn Tatsache ist: Mobbing hört meistens erst auf, wenn der/die Mobbende am Ziel ist (Dich aus Deinem Job zu drängen). Das Mobbing kann aber dann mit der nächsten Person im Team weitergehen, daher möchte ich alle – auch aus Eigeninteresse – ermutigen, nicht mitzulaufen.
Zudem hilft es oftmals leider nicht, den Job zu wechseln. Denn ich nehme die Mobbing-Vergangenheit zur neuen Arbeitsstelle mit, ich agiere durch den Mobbingprozess geschwächt und misstrauisch.
Wenn ich es aber schaffe, in der Gruppe zu bleiben und neue Verhaltensweisen auszuprobieren – dann verinnerliche ich, wie stark ich bin, dass ich mich doch wehren kann und dass das definitiv nicht umsonst ist. Eventuell verliert die Gruppe das Interesse an der Mobbingdynamik. Neue Verhaltensweisen könnten sein, dass Du für Dich selbst einstehst oder konkrete Unterstützung einforderst.
Wann sollte ich den Job wechseln?
Gerade im näheren Umfeld bekommen Betroffene häufig den Tipp, das Mobbing auszuhalten und auszusitzen. Das ist aus meiner Sicht die schlechteste Lösung, da hier die eigene Aktivität fehlt und man komplett fremdgesteuert ist. Besser wäre es, aktiv neue Handlungsmuster zu lernen – oder ich nehme mich ganz bewusst aus dem Prozess raus und kümmere mich dann aber aktiv darum, das Mobbing zu verarbeiten, um dann gestärkt in die weitere berufliche Zukunft zu starten. Die zweite Option muss natürlich im Hinblick auf alle Konsequenzen individuell abgewogen werden.
Laut Psychologin Dörthe Dehe, die in der Podcast-Folge 33 zu Gast war, sind die folgenden Punkte aber Anzeichen dafür, dass man sich Hilfe holen und den Job wechseln sollte:
- Wenn ich merke, dass ich durch die Belastung krank bin/werde,
- wenn ich nicht mehr schlafen kann,
- wenn ich länger als 2 bis 3 Wochen ganz stark niedergeschlagen oder gefühlstaub bin.
Einige Gedanken und Tipps zum Schluss
Wenn Du das Gefühl hast, gemobbt zu werden, ist es sinnvoll, ein Mobbing-Tagebuch zu führen. Eine Vorlage findest Du zum Beispiel hier: Mobbing Tagebuch Arbeiterkammer
Der Coach und Berater Arndt Peters, der in Folge 5 meines Podcasts zu Gast war, wurde selbst jahrelang gemobbt. Neben dem rechtlichen Aspekt hat ihm das Führen eines Tagebuchs im Nachgang geholfen, das Geschehene zu verarbeiten. Man tendiert nämlich dazu, mit der Zeit die Ereignisse zu relativieren, das Tagebuch hilft dann bei der Einordnung.
Mobbing ist schwer greifbar, aber das Bauchgefühl ist ein schlauer Kopf. Vertraue darauf, wenn Du das Gefühl hast, dass irgendetwas nicht stimmt und verfolge das für Dich weiter.
Bitte sprich nur mit wohlwollenden, empathischen Menschen in Deinem Umfeld darüber. Denn ein „Sei nicht so sensibel“ hat noch niemandem weitergeholfen. Wer sich mitteilt, wird merken, wie viele Menschen von Mobbing betroffen sind. Sei Dir also gewiss: Du bist nicht allein, auch wenn Du Dich gerade so fühlst. Hole Dir am besten so früh wie möglich professionelle Hilfe, beispielsweise in Form einer Psychotherapie.
Kein Job der Welt ist es wert, sich gesundheitlich zu ruinieren, daher werde aktiv!
Das Ziel meines Podcasts ist es, Betroffene dabei zu unterstützen, Mobbing zu verstehen und aus der Erfahrung anderer zu lernen. Mir ist es zudem wichtig, das Thema raus aus der Tabuecke zu holen: Es kann wirklich jedeN treffen! Gerne stehe ich Dir für einen Austausch zur Verfügung.
Über die Autorin
Andrea Domenig
HR Business Partner & Podcasterin aus Leidenschaft

Foto: Foto Schuster
Sie ist seit fast 20 Jahren im Personalbereich tätig und hat 2020 die informativen sowie inspirierenden Podcasts „Lebenswege“ (Link: https://lebenswege.libsyn.com) (spannende berufliche Veränderungsgeschichten) und „Mobbing ist kein Kavaliersdelikt“ ins Leben gerufen.
Mehr Infos zu dem Thema findest Du hier