Stärke Deine Entscheidungsfähigkeit mit der Kraft Deines Inneren Teams

Besonders zu Beginn meiner Karriere war ich oft sehr angespannt und unzufrieden. Ich hatte das Gefühl: „Das, was ich tue, gehört sich nicht.“ Gemeint war meine Tätigkeit in Vollzeit, während mein Mann einen Großteil der Carearbeit für unsere 4 Kinder übernahm. Obwohl wir uns über diese Aufteilung wochenlang beraten und sie einträchtig beschlossen hatten, ließ mich meine innere Zerrissenheit einfach nicht los. Vielleicht bist Du ebenfalls Mutter/Vater und kennst das. Vielleicht erwischt Dich das Gefühl der Zerrissenheit aber auch auf einem ganz anderen Gebiet – beispielsweise, weil Du nicht weißt, welche Entscheidung Du treffen oder wie Du auf ein Verhalten reagieren sollst.

Das erwartet Dich in diesem Artikel:

Einflussreiche Stimmen in uns

 

Manchmal verhält sich unsere innere Stimme in diesen Angelegenheiten äußerst dominant. Sie sagt: „Das macht man nicht!“, „Das ist zu riskant!“ oder „Setz Dich durch!“ Was sich dort meldet, sind unsere ureigenen Bedürfnisse. Ist etwa unser Bedürfnis nach Sicherheit sehr groß, ertönt die Warnung vor dem Risiko besonders laut. Ist es eher das Bedürfnis nach sozialer Einbindung, so werden uns häufiger moralische Appelle in den Kopf schießen. Unangenehm wird es für uns, wenn das, was wir tun (oder was unser Gegenüber tut) unseren Werten widerspricht. Es entsteht Zerrissenheit, Angst, Unbehagen, manchmal sogar Wut. In meinem Fall stand mein Handeln dem Wert „Familie“ entgegen. Das Gefühl, mit dem ich es zu tun bekam, war: Schuld.

Auf unsere Bedürfnisse zu achten, ist generell positiv! Doch steckt hier der Teufel im Detail – denn es sind eben Bedürfnisse, im Plural. Während wir z.B. das Bedürfnis nach Bindung haben, kann parallel dazu ein Bedürfnis nach Kreativität oder Selbstverwirklichung bestehen.

Wie wir uns selbst limitieren

 

Wir Menschen haben oft nicht gelernt, das gesamte Spektrum unserer inneren Anteile (= Bedürfnisse) zu kultivieren. Stattdessen hören wir stets auf das Kind in uns, das gerade am lautesten schreit – denn es ist so wahnsinnig hungrig. Mal ist das die Stimme der Angst, mal die der Leistungsbereitschaft, mal die der Wettbewerberin. Ohne es zu merken, lassen wir uns von ihr durch die Situation führen. Das ist nicht verwunderlich, denn innere Leitplanken fühlen sich zunächst gut und stimmig an.
Den „Haken“ erkennst Du jedoch vielleicht sehr schnell: Wenn wir nicht aufpassen, ignorieren wir wesentliche Teile von uns selbst. Wir verlieren dadurch nicht nur an Macht, sondern neigen manchmal sogar zu schlechteren Entscheidungen.

Akzeptanz unserer Anteile

 

Der erste Schritt auf dem Weg hin zu mehr Selbstermächtigung und Selbstführung ist die Akzeptanz dessen, dass wir als Erwachsene eine ganze Sammlung von Stimmen in uns tragen!

Du darfst Dir vorstellen, dass dort eine ganze Schulklasse von Kindern beisammensitzt. Da gibt es das laute, das dominante Kind, da gibt es aber auch ein ängstliches, verschüchtertes Kind. Und eines, das sich um eine heitere Stimmung kümmert. Ein äußerst vernünftiges Kind gibt es auch, ein kreatives, und vielleicht eines, das mutig ist oder sehr auf Gerechtigkeit bedacht. All diese „Kinder“ existieren in uns, und jedes hat seine ganz eigenen Interessen.

Teambuilding mal anders

 

Wenn wir akzeptieren, dass es viele (manchmal auch widersprüchliche) Persönlichkeitsanteile in uns gibt, dann können wir lernen, sie konstruktiv zu nutzen. Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun prägte hierfür den Begriff „Das innere Team„. Wie in einem Team an unserem Arbeitsplatz oder im Sportverein geht es darum, alle Mitglieder mit ihrer jeweiligen Stärke zu integrieren. Nur so können wir eine Einheit kreieren und das bestmögliche Ergebnis erreichen. Das innere Team ist Sinnbild für die Kraft und die Weisheit, die Dir durch die Zusammenarbeit deiner verschiedenartigen Anteile zur Verfügung stehen. Du selbst bist die Klassenleitung, die alle Stimmen einfängt und „sortiert“.

Eine Schulklasse funktioniert bekanntlich nicht wirklich gut, wenn jedeR durcheinander spricht. Die Dominanten kommen immer zu Wort, die Schüchternen bleiben auf der Strecke. Du darfst also üben, auch mit jenen Anteilen in Dir in Kontakt zu kommen, die bisher eher leise waren.

Das innere Team

 

Die Herausforderungen können sehr unterschiedlich sein. Du weißt vielleicht nicht, ob Du mit Deinem/Deiner PartnerIn zusammenbleiben solltest, ob Du im Konzern oder selbständig arbeiten möchtest, ob Voll- oder Teilzeit das Bessere für Dich ist…

Besonders Personen mit einem deutlich frustrierten, dominanten Bedürfnis tun sich schwer, alternative Stimmen in sich wahrzunehmen. Die folgenden Tipps können hilfreich sein, um an (verborgene) innere Anteile besser heranzukommen:

  • Lass im Entscheidungsprozess einmal alle Gedanken und Impulse zu, ohne diese sofort zu bewerten. Ähnlich wie bei einem Brainstorming kannst Du sie auch auf einen Zettel schreiben. Wichtig: Du solltest dabei unbedingt allein sein!
  • Notiere daraufhin neben jeden Gedanken, welcher Deiner Anteile ihn produziert haben könnte. Lass Dir nun gezielt Zeit, um die verschiedenen Argumente wirken zu lassen.
  • Eine hilfreiche Frage kann an dieser Stelle sein: Was für ein Mensch möchte ich eigentlich gerne sein? Welche Werte sind mir wichtig? Diese Werte müssen nicht immer mit dem lautesten Teammitglied im Einklang stehen.
  • Vielleicht kannst Du über diesen Weg mehr über Deine anderen Bedürfnisse herausfinden und in der Folge zu einer befriedigenden Entscheidung kommen.
  • Ein Beispiel: Du überlegst, ob Du Geld spenden solltest. Dein Bedürfnis nach (finanzieller) Sicherheit meldet sich lautstark in Dir. Du erkennst jedoch, dass Dir der Wert Chancengleichheit überaus wichtig ist. Das könnte sich in dem Gedanken „Ich möchte meine Privilegien mit anderen teilen“ ausdrücken. Durch den Dialog mit Deinem inneren Team könntest Du also zu der Erkenntnis kommen, dass Du Deinem Bedürfnis nach Gerechtigkeit mehr Raum geben möchtest als bisher.

Für viele Menschen hat die Innere-Team-Arbeit etwas Entlastendes, da sie merken: „Ich bin noch viel mehr als die Angst“ oder „Ein Teil von mir möchte X, ich darf mich aber trotzdem für Y entscheiden“.

Durch achtsame Zuwendung wirst Du immer besser darin werden, Deine Persönlichkeit in Gänze wahrzunehmen. Die Qualität Deiner Entscheidungen wird dadurch auf ein ganz neues Level gehoben.

Über die Autorin

Dr. Silke Rusch

Leitende Psychotherapeutin, Mental Health CoachIn, Führungskraft, Supervisorin und Dozentin
Silke Rusch
Foto: Website Dr. Silke Rusch

Sie ist Psychotherapeutin, Mental Health CoachIn, Speakerin, Supervisorin und Dozentin. Die Mutter von 4 Kindern ist seit 2015 als Führungskraft im Gesundheitswesen für rund 40 MitarbeiterInnen verantwortlich. In ihrem Podcast „FemLead Factory“ gibt sie wöchentlich wertvolle Impulse zu den Themen Female Leadership, Mentale Gesundheit, New Work und Karriere (mit Kind)

 

Hier kannst Du in den inspirierenden „FemLead Factory Podcast“ reinhören:

Apple und Spotify